Affären
"Katastrophen zwingen uns, unseren Blick auf das Wesentliche zu richten."
(Esther Perel)
Untreue kommt in guten wie in schlechten Beziehungen vor.
Häufig sind die Beteiligten einer Affäre nicht leichtfertige Spieler*innentypen sondern verantwortungsbewusste Menschen, die die gemeinsame Vergangenheit in der Paarbeziehung auch schätzen. Gründe dafür sind vielfältig wie beispielsweise Einsamkeit, sexuelle Frustration oder Sprachlosigkeit, Verbitterung, Enttäuschung, Vernachlässigung, verlorene Jugend, Sehnsucht nach Aufmerksamkeit und Nähe, zu viel Alkohol oder anderes. Sie fühlen sich selbst oft zutiefst zerrissen wegen ihres Verhaltens. Manchmal ist Untreue auch eine kleine Rebellion geboren aus Langeweile, dem Bedürfnis nach Aufregung oder dem Wunsch heraus zu finden, ob man noch markttauglich ist. Andere berichten über ein bisher unbekanntes überwältigendes Gefühl von Liebe, das sie nicht ignorieren konnten.
Was kann man tun?
Eine Affäre wird von den Beteiligten auf völlig unterschiedliche Weise mit sehr intensiven Gefühlen erlebt. Um eine Brücke zwischen diesen gegensätzlichen Erfahrungen schlagen zu können, braucht es einen sicheren Rahmen. Einen Entweder-Oder-Zugang, der nur eine Wahrheit zulässt, führt nicht zu Verständnis und Versöhnung. Es hilft weder, nur auf die zerstörerische Wirkung zu fokussieren noch die Verletzung klein zu machen.
Zu verstehen, warum Untreue passiert, ist essenziell für ein Paar. Meine Aufgabe als Therapeutin ist, den Sinn hinter dem Handeln zu sehen. Sinn kann man finden, indem man wissen will, was geschehen ist, was zum Absprung geführt hat und ob man ihn hätte verhindern können. Was gibt es aus der Affäre zu lernen, wie kann sie vielleicht dazu beitragen, die Paarbeziehung anzuregen, zu transformieren? Die meisten Paare setzen sich jetzt zum ersten Mal auseinander mit den Grundfesten ihrer Beziehung. Für viele Paare braucht es eine so extreme Erfahrung, um die Aufmerksamkeit des Partners zu wecken und aus einem eingefahrenen System aus zu brechen. Affären sind Alleingänge. Sie zu verstehen, ist ein Gemeinschaftsprojekt.
Vergebung bedeutet nicht, dem anderen alles durchgehen zu lassen. Es ist eher ein Geschenk, das man sich selber macht. Man setzt einen Gefangenen frei und entdeckt aber, dass man in Wirklichkeit selbst der Gefangene war. Vergebung ist ein Prozess, der Zeit brauchen kann, in der man sich verabschiedet von einer Version der Wirklichkeit, die man viel lieber gehabt hätte und den Schmerz annimmt, der beim Annehmen davon auf einen wartet.
Indem Sie es schaffen, Widersprüche, Unklarheit und Unsicherheit aus zu halten, eröffnet sich Ihnen ein Raum voller Möglichkeiten, sich selbst und einander wieder neu zu entdecken und eine tiefere Verbindung auf zu bauen.